Alexander im Kino

 

Pünktlich zum Jahreswechsel ist mit Oliver Stones Alexander ein neuer Historienfilm in den Kinos. Die englische Sprache bezeichnet diese Werke als "epic films", was nicht nur prägnanter ist, sondern auch weit mehr Implikationen in sich birgt als die deutsche Bezeichnung. Ich selbst würde daher viel eher mit Begriffen wie "episch" oder sogar "Epos" an Alexander herangehen, möchte aber von Anfang an auch vor einer Überbewertung des Filmes warnen. Die Begriffe greifen nämlich am ehesten, wenn es um die Filmlänge (knapp 3 Stunden!) oder den erzählten zeitlichen Rahmen (von der Kindheit Alexanders bis ins hohe Alter des Alexander-Nachfolgers in Ägypten, Ptolemaios) oder den schöpferischen Willen des Regisseurs geht. Bereits hier ist die filmische Erzählung umrissen: Es geht um das Leben und zuletzt auch Sterben Alexanders des Großen.

Daß damit aber eben doch nicht alles gesagt ist, macht das Interessante des Filmes aus. Wie "historisch" dieser Historienfilm auch immer sein mag (der Film zeigt Rekonstruktionen u.a. antiker griechischer Tempel, Babylons oder des Gesichts [!!!] des Vaters von Alexander), zentral ist vielmehr die Frage nach den Ambitionen Alexanders: Warum wollte er einen Großteil der damals bekannten Welt erobern? Oliver Stone stellt den Eroberer als Getriebenen dar, der einerseits die Anerkennung seines Vaters ernten, gleichzeitig sogar die Helden der Antike, allen voran Archilles, übertreffen wollte, andererseits der extremen, extrem einengenden Liebe seiner übermächtigen Mutter zu entfliehen suchte - das Kind einer gescheiterten Ehe, das sich nicht zwischen den Eltern zerreiben lassen wollte. Und doch passiert genau das. Ebenso wenig ist er fähig zu einer glücklichen eigenen Beziehung zu einer Frau. Oliver Stone läßt ihn daher ein wenig Erfüllung zumindest in seiner Freundschaft und Liebe zum Gefährten seiner Kindheit, Hephaistion, finden.

Überhaupt ist die Knabenliebe und Liebe zwischen Männern durchaus ein Thema der Betrachtung bei Oliver Stone und das in verschiedenen Facetten: Homosexualität wird weder idealisiert noch als völlig verwerflich dargestellt, obwohl es sogar die Vergewaltigung eines jungen Mannes zu sehen oder vielmehr zu ahnen gibt - im Hintergrund. Sexualität zwischen Männern wird in diesem amerikanischen Film ansonsten zwischen Männern natürlich nicht gezeigt. Doch der ganze Film ist durchdrungen von Andeutungen und sogar ganz offen ausgetauschten Küssen der männlichen Helden, die in den großen Schlachten keine Furcht kennen und immer wieder blutüberströmt diese überstehen. Neue Narben kennzeichnen das wahre Männertum.

Gegenüber solchen Männern können die Frauen nur recht blaß bleiben. Alexanders Ehefrau Roxanne versinkt alsbald in relative Bedeutungslosigkeit, obwohl wir alle uns aus Geschichtsbüchern oder Erzählungen an die große Liebe des Eroberers zu ihr erinnern wollen. Doch da gibt es ja noch Alexanders Mutter Olympias. Angelina Jolie, bekannt v.a. aus den beiden Tomb Raider-Filmen, glänzt in dieser Rolle, die sie auch als alternde Frau vorführt. Nirgends jedoch wirkte sie bislang so sexy, ja erotisch wie in einer Szene in Alexander: Die schon etwas reifere Olympias sitzt in dunklem antiken Gewand in einem abgedunkelten Raum. Um ihr entblößtes Bein windet sich eine Schlange. Kurz darauf gibt sie ihrem Sohn zu verstehen: "Ich habe dich geschaffen, Alexander." Verständlich, daß Colin Farell eine solche Frau fliehen muß, denn die gefährliche Frau mit eigenen Gedanken hat auf Generationen amerikanischer Söhne furchterregend gewirkt oder wurde zumindest all diesen Söhnen als Schreckgespenst vorgeführt. Ein Buch aus den 1940er Jahren heißt "Generation of Vipers" und dreht sich um die amerikanische Frau und Mutter! Oliver Stone muß nie von diesem eher belanglosen Buch gehört haben, doch hier erweist er sich als Sohn seines Landes. Später wird Alexander eine Art Vision seiner Mutter haben, in der sie als Medusa erscheint. Frauenfeindlichkeit in einem Film von 2004 ist ärgerlich.

Dabei ist es Oliver Stones Version der Geschichte um Alexander hoch anzurechnen, daß sie gar nicht so typisch amerikanisch ausfällt. Krieg ist gerade in Zeiten des 2. Irakkrieges für Stone nichts heroisches (war es allerdings noch nie für ihn!). Besonders blutige Gemetzel fordern als Tribut die Menschlichkeit der darin Verwickelten und machen keineswegs automatisch Helden aus Normalsterblichen. Und, last but not least: Alexanders Traum gilt der Vereinigung von Europa und Asien, was auch den Vorderen Orient einschließt. Er scheitert, doch immerhin diesem Traum haftet etwas heroisches an.
(3. Januar 2005)

Antike Alexander-Münze

 

3. Januar 2005


Christine Fößmeier


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