USA 2004

 

Oft fällt es uns ja gar nicht mehr auf, wenn historisierende Gebäude mit Obelisken geschmückt sind. Oder wenn uns ein Abenteuerfilm durch Museen mit Mumien in den Vitrinen oder durch halb verfallene Tempel hetzen läßt. Dabei gibt es gerade Ägypten überall zu entdecken. Auch die USA sind ein Land, in dem man die alte Kultur des Nillandes manchmal zum Greifen nahe spürt.

Auf dieses "Abenteuer" ließ ich mich im März 2004 ein. Natürlich war mir klar, daß ich in Museen altägyptische Särge und sogar Mumien sehen würde, oder daß Washington mit dem wohl monumentalsten Obelisken der Welt aufwarten würde. Letztlich ist man dann aber doch überrascht. Sei es, daß man im Museum ein Stück entdeckt, das man noch gar nicht kannte, oder das man längst vergessen hatte, oder sei es, daß man in einem Park in Washington plötzlich vor einer Pyramide des Künstlers Sol Lewitt steht.

Sol Lewitt, Four-Sided Pyramid, Washington

Sol Lewitt, Four-Sided Pyramid, Washington

Neben der großartigen Sammlung des Metropolitan Museum of Art in New York übersieht man leicht die weniger berühmten Stellen mit ihren ägyptisierenden Details, Glasgemälde im Empire State Building, die die Sieben Weltwunder zeigen, darunter eben den Pharos in Alexandria und die Pyramiden von Giza, hier samt Sphinx abgebildet. Oder den Fahrstuhlbereich im Chrysler Building, der ganz bewußt auf das Grab des Tutanchamun anspielen soll. Die 1920er Jahre waren nicht nur die Hochzeit des Art Deco sondern auch die Jahre der Entdeckung und Bearbeitung des Tutanchamun-Grabes.

Im Chrysler Building, New York

Fahrstuhl-Tür im Chrysler Building, New York

Ja, natürlich habe ich mir die Statue Sethos I. im MMA angesehen. Ich fühlte mich allerdings völlig überfordert von der riesigen Sammlung von Amuletten und allem, was sonst noch zur Ausstattung einer altägyptischer Bestattung gehörte. Das Metropolitan Museum ist zu groß, um es als Ganzes zu würdigen, und selbst einzelne Abteilungen überfordern bereits den interessierten Betrachter. Es gilt persönliche Highlights herauszufiltern, ohne daß Nicht-Vertraute völlig aus den Augen zu verlieren. Den Tempel von Dendur beispielsweise, der in einem eigenen Flügel untergebracht ist - wo es übrigens auch Relief-Blöcke der Amarna-Zeit zu würdigen gilt. Nachdem man sich etwas erholt halt, versteht sich.

Mein Tip daher: Wer sich der Wucht des MMA nicht gewachsen fühlt, möge das Brooklyn Museum aufsuchen. Dieses Haus ist weniger berühmt und etwas abgelegen, doch seine Sammlung incl. ägyptischem Teil ist sehenswert und noch überschaubar.

Museen und Sammlungen altägyptischer Kunst stellen auch Mumien aus! Und genau wie überall auf der Welt stürzen sich gerade Kinder auf diese Zeugen der Geschichte. Doch der Umgang mit den Toten ist gar nicht so verschieden von Deutschland, wo man mit einer gewissen "Verklemmung" an die Präsentation geht. Einerseits scheint man diese Bedenken und möglicherweise falsch verstandene Pietät in den USA nicht zu kennen, doch auch dort werden Mumien nicht bedenkenlos hüllenlos ausgestellt. Andererseits lag keine der Mumien in New York (Manhattan), Brooklyn oder Baltimore, ohne zumindest in ihre Bandagen eingehüllt zu sein, in einer Vitrine. Man konnte keiner Mumie ins Gesicht "starren" (was ich allerdings eher als Konfrontation mit einem Toten bezeichnen würde!). Allerdings scheinen Mumien anderer Völker vom National Museum of Natural History in Washington auch anders präsentiert zu werden oder zumindest präsentiert worden zu sein. Leider konnte ich die Ausstellung nicht sehen, sprach dafür aber mit dem Anthropologen David R. Hunt. Ihm waren die Probleme, die sich den Ausstellungsmachern in Deutschland stellen, offensichtlich fremd. Er verwies auf eine Mumie aus Peru, die jahrelang zu sehen gewesen war. Wahrscheinlich seien die Amerikaner zu abgestumpft, um sich hierüber Gedanken zu machen, meinte er zu mir. Auch Gespräche mit interessierten Laien erbrachten kaum ein anderes Bild. Mumien aus Pietätsgründen nur verhüllt oder gar nicht auszustellen, schien ihnen neu und die Präsentation an sich nicht verabscheuungswürdig oder befremdend.

Befremdend wäre jedoch manchem mein Besuch im Depot des Museum of Natural History vorgekommen, wo es einen Raum nur voller Mumien und Mumienteile gibt. Dieser steht dem allgemeinen Publikum natürlich nicht offen.... Ähnlich der Michaelergruft in Wien und doch auf völlig andere Weise ist man hier von den Toten von einst umgeben. In jedem Schrank verbergen sich die Überreste von alten Ägyptern, Nord- oder Südamerikanern (darunter der Aleuten!!!) oder gar neuseeländischen Maori (Ahnenköpfe!).

Mumien haben für mich nicht viel mit Gruseln einerseits oder Sensationsgier andererseits zu tun. Es sind Überreste von Menschen, die einst gelebt haben, aber eben nur deren Überreste. Man sollte sie als solches würdigen. Nicht als Träger einer längst vergangenen Individualität und ebenso wenig als ein Ding unter vielen anderen. Mumien sind eben doch etwas besonderes und etwas, was sich mit nichts vergleichen läßt. Jede für sich und als Zeuge ihrer Zeit einzigartig. Als solches sollte man sie schätzen und erhalten und meines Erachtens in geeignetem Rahmen ausstellen. Nicht nur in den USA oder im berühmten Museum von Kairo sondern überall, wo sich Menschen für Geschichte interessieren.

Mumie aus Peru

Mumie aus Peru im Depot
National Museum of Natural History, Washington

6. Mai 2004


Christine Fößmeier


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