Wien, 18.-22. September 2003

 

Vom 18. bis 22. September war ich in Wien eingeladen. Die Präsentation des des neuen Buches von Alexandra Rainer, Monsterfrauen. Weiblichkeit im Hollywood-Sciencefictionfilm hatte ich ja angekündigt. Frau Dr. Rainer sei nochmals herzlich gedankt, zumal sie mir die Möglichkeit gab, einige meiner Überlegungen zur Mumien-Rezeption dem österreichischen Publikum darzulegen.

Aber natürlich gab es für mich in Wien mehr zu sehen und zu erleben! Gerade diese Stadt zeichnet sich nicht nur durch eine gewisse "morbide" Ader aus, hier herrscht auch eine ganz besondere Beziehung zum Tod. Und diese ist tatsächlich anders als in Deutschland. So kann man im Kunsthistorischen Museum ganz ungestört Mumien betrachten. In Deutschland wird die Ausstellung von Toten wesentlich kritischer gesehen. Man zeigt sie entweder gar nicht oder eher verschämt und nie, niemals unreflektiert. Achtung, ich behaupte nicht, daß in Österreich Mumien bedenkenlos ausgestellt und mit ihnen Geld gemacht wird. Doch im Gespräch ergab sich ein unkomplizierterer Umgang und Unverständnis gegenüber der "verklemmten" Ausstellungspraxis, wie ich sie hierzulande erlebe.

Kutsche des Wiener Bestattungsmuseums

Alte Kutsche
für prunkvolle Bestattungen
Bestattungsmuseum, Wien
(© Christine Fößmeier)

  Es scheint doch spezifisch wienerisch, daß in der "Langen Nacht der Museen" gerade das Bestattungsmuseum (!!!) die ansprechendste Präsentation seines Hauses und seiner Exponate bot. Und wo findet man schon ein Foltermuseum, das nicht nur Amnesty International unterstützt, sondern auch fast schon Wachsmuseum-mäßig mit Puppen gestellte Hexenprozesse und Pranger-Szenen nachgestellt zeigt. Das ernste Anliegen ist so mit leichter Kost schmackhaft gemacht. Wahrscheinlich würde auch diese Ausstellung auf Unverständnis in Deutschland stoßen. Publikumswirirksam war sie jedoch in der Museumsnacht allemal!

Zurück zu den Mumien. Es scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, daß Wien auch eine Stadt der Mumien ist. In der Michaelergruft (St. Michael) darf man sogar einige von ihnen besichtigen. Highlight der durch natürliche Prozesse erhalten gebliebenen Wiener ist die Naturmumie einer Schwangeren. Leider ist diese Ansammlung Verstorbener in ihren Särgen nie wissenschaftlich bearbeitet worden. Was jedoch noch schwerer wiegt, ist eine gewiiser Mangel an Sorgfalt. Hier geht es nicht darum, daß jeder zahlende Besucher Tote aus nächster Nähe betrachten darf. Vielmehr wird kaum etwas für die Erhaltung der Mumien getan. Es gibt keine Absperrungen, keine Überwachung der Luftfeuchtigkeit und anderen Umstände, ja, nicht einmal Sorge wegen bröckelnden Putzes, der in die Särge fällt. Nur wenige scheinen sich bewußt, daß man es hier mit einem kulturellen Schatz zu tun hat. Von den Verstorbenen selbst über ihre Kleidung bis hin zu der Bestattung selbst gäbe es viel zu erforschen. Zeit für ein interdisziplinäres Forschungsprojekt - oder einen großzügigen, aber engagierten Sponsor. Zeit, die Mumien der Michaelergruft als Zeugen ihrer Zeit anzuerkennen!

September 2003
Christine Fößmeier


Ich freue mich über Nachrichten und Hinweise und werde auch Anmerkungen gerne veröffentlichen! Kurzmitteilung bitte an egyptomania3000@aol.com. Danke!

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